heute möchte ich die kleinen Absurditäten des spanischen Alltags etwas beschreiben.
Eines morgens stand ich in der Cercanía und konnte nicht umhin die geniale spanische Konstrukteurskunst zu bewundern. Etwas genauer gesagt äußerte sich die Bewunderung in einem ansehnlichen Fröhlichkeitsausbruch.
Wie bei uns in den Bussen, gibt es in den Cercanía-Bahnen einen Nothammer, der auf spanisch ziemlich treffend martillo de rompecristalles (vielleicht übersetzbar mit "Hammer des Glasbruchs") heißt. Köstlich ist allerdings, dass man, um an den Glasbruchhammer zu kommen, erst das Glas zerbrechen muss hinter dem er sich befindet.
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| GLASBRUCHHAMMER // Zerbrechen sie dieses Glas um an den Hammer zu kommen |
Generell scheinen hier einige Sachen der Cercanía nicht gut durchdacht zu sein. Ein vergnügliches Beispiel - zumindest für sportliche Menschen ohne Gepäck - stellt der große Bahnhof Chamartin in Madrid da, an dem ich jeden Morgen und Abend umsteige. In den vier Untergeschoßen fahren die Metro-Bahnen, während auf den obigen elf Gleisen die Cercanías unterwegs sind (ein bisschen wie in Deutz).
Es gibt keinen festen Fahrplan auf dem steht auf welchem Gleis die Züge fahren, theoretisch kann die gewünschte Bahn auf jedem Gleis von 1-11 abfahren - obwohl gewisse Bahnlinien fast immer das gleiche Gleis benutzen, was man natürlich erst mit der Zeit lernt.
Beim Eingang zu den Cercanías, als auch auf jedem Bahnsteig ist eine elektronische Anzeige angebracht, die die jeweiligen Bahnnummern, -ziele und die zugehörigen Gleise anzeigt. D.h. man wartet vor der elektronischen Anzeige bis kundgetan wird auf welchem Gleis die gewünschte Bahn einfährt. Klingt gut, ist aber leider Spanien.
Das zugehörige Gleis wird nämlich oft nicht mehr als eine Minute vor Abfahrt angezeigt.
- Auf dem nächsten Foto kann man die Anzeige aufgrund der elektronischen Darstellung nicht gut erkennen. Links werden die Gleise für die Bahnen angezeigt, auf dem Foto für die, die in einer Minute abfahren. Außerdem ist es Nachmittags und der Bahnsteig sehr leer -
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| Chamartin am Nachmittag ohne eilende Reisende. |
Jeden Morgen versammeln sich auf dem wahrscheinlichsten Gleis zur Abfahrt eines Zuges viele Menschen und beobachten nervös die elektronische Anzeige. In wievielen Minuten der Zug eintrifft, steht lange vorher auf der Anzeige, aber erst im letzten Moment wird das zugehörige Gleis eingeblendet. Die angespannt wartende Haltung der Reisenden, wandelt sich dann im Moment der Anzeige der Gleisnummer. Stehen sie wie erwartet am richtigen Gleis, legt sich die Anspannung, griffbereite Koffer werden glücklich aufatmend abgestellt, Kindern wird erfreut über den Kopf gestrichen und man orientiert sich Richtung Gleis wo Sekunden später der Zug einfährt.
Wird aber ein weit entferntes Gleis angezeigt, löst sich die angespannte Haltung eher wie die eines Sprinters wenn der Startschuss ertönt. Reisende jeden Couleurs, mit leichten Rucksäcken oder schweren Koffern, in hochhackigen Stiefeln oder mit Krücken, ein Kind and der Hand oder einen Kaffee balancierend, hasten die Treppe hinunter und eilen zum angezeigten Gleis.
Vor einer Woche wurde statt Gleis 4 auf dem mein Zug üblicherweise kommt, Gleis 11 angezeigt, so dass die gesamte Meute, mich eingeschlossen, von Gleis 4 zu Gleis 11 rannte. Auf der dortigen Anzeige stellte sich aber heraus, dass "Gleis 11" nur ein kurzer Anzeigefehler gewesen war, und der Zug doch auf Gleis 4 abfahren würde. Die Gruppe der Reisenden, nun eher Bundesgenossen vereint im Kampf gegen spanische Organisation denn zufällige Mitreisende, stürmte heldenhaft zurück zu Gleis 4, wo wir erfolgreich den Zug verpassten.
Immerhin muss ich die Madrilenen auch etwas verteidigen. Auf Rolltreppen stehen sie tatsächlich alle brav rechts, so dass man links an ihnen vorbeigehen kann (Die Stationen sind hier teilweise so tief, dass ich tatsächlich die Rolltreppe hochgehe).
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| Zucker wird hier in Tetrapack mit Drehverschluss verkauft |
In Bars oder auch einfachen Restaurants gibt niemand Trinkgeld. Ich habe es am Anfang dennoch versucht, aber oft wurde einfach nicht verstanden warum ich einen Euro zu viel bezahlen wollte.
Etwas gewöhnungsbedürftig ist zudem, dass man in einfachen Bars die Servietten, aber auch Essenreste der Tapas auf den Boden fallen lässt. Im Foto ist ein wirklich sehr harmloser Zustand gezeigt, manchmal steht man regelrecht in einem Papierhaufen. Ein Grund scheint zu sein, dass, wenn viel gegessen wird, das Essen gut sein muss. Es gibt noch einen weiteren Grund. Als ich einen Spanier fragte warum man das Papier nicht wie sonst auf den Tellern lässt, meinte er: "Wenn der Boden dreckig ist, ist der Tisch sauber". Die Gäste erwarten also einen dreckigen Boden, denn: Je dreckiger der Boden, desto besser ist das Essen einerseits und desto sauberer die Tische andererseits.
Kommt mir spanisch vor.
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| Die Geburt eines Müllhaufens in einer spanischen Bar |
Dass Spanier nicht so gut planen, möchte ich an einem letzten Beispiel demonstrieren. Stellt euch einmal vor ihr besitzt keine Arbeit, sitzt zuhause am Frühstückstisch und überlegt euch mit welchem genialen Einfall ihr eure Brötchen verdienen könntet. Und? Wofür zahlen die Leute bestimmt Geld? Richtig, um sich auf der Straße von einem fetten Spiderman beleidigen zu lassen.
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| Der fette madrilenische Spiderman |
Dieser Spiderman stand auf dem Plaza Mayor, einem zentralen Platz in Madrid, nannte sich selber "der fette Spiderman" und versuchte Geld zu verdienen in dem er wahllos Passanten mit tiefer Stimme anpöbelte und dann dreist behauptete alle seien ja nur neidisch auf seine Plauze. Ein sehr ... gutes Konzept.
Die Woche lang habe ich gearbeitet, aber morgen Nacht werde ich nach Cadiz, und dann nach Sevilla fahren um mir die dortigen Osterprozessionen anzusehen. Ich bin dann erst Montag wieder hier, deswegen dauert es etwas bis zum nächsten Blog.
¡Felices Pascuas!
Tomás


































